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Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer, Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG)
Copyright: MedUniWien Mattern
Prim.a Univ. Prof.in Dr.in Andrea Podczeck-Schweighofer, Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG)
Copyright: Foto Wilke
Diabetes und Herz
Zucker schädigt die Gefäße – bei Kranken und Gesunden – direkt und indirekt
Die Präsidentinnen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) weisen gemeinsam auf den engen Zusammenhang zwischen Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Jeder, der an einer der beiden Erkrankungen leidet, sollte auch sein persönliches Risiko für die jeweils andere beachten und beobachten. In der Früherkennung ist hier das Engagement der Allgemeinmedizin von besonderer Bedeutung.
Diabetes allein ist bereits eine Krankheit mit hohen organisatorischen Anforderungen. Betroffene müssen zumeist mehrmals täglich Blutzucker messen, ihre Ernährung auf die Behandlung abstimmen und ausreichend Bewegung in Ihren Alltag einbauen. Eine zweite Diagnose erhöht den Stress und ist auch psychisch belastend, wie Wolfgang Frick von den Aktiven Diabetikern Austria aus eigener Erfahrung zu berichten weiß: „Im Jahr 2003 wurde bei mir Diabetes Typ 2 diagnostiziert. Ursachen waren starkes Übergewicht, Bewegungsmangel und berufsbedingter Stress. Durch eine Lebensstiländerung konnte ich mein Gewicht deutlich reduzieren und damit meine Blutwerte auf ein sehr gutes Niveau senken, aber 2006 hatte ich meinen ersten leichten Herzinfarkt. Ich erhielt einen Herzschrittmacher und war soweit wieder fit. Allerdings hat sich langsam, aber sukzessive mein HbA1c-Wert auf Grund von zu wenig intensiver Bewegung wieder verschlechtert. 2015 hatte ich dann meinen zweiten Herzinfarkt und bei der Behandlung wurde zusätzlich eine Herzmuskelschwäche diagnostiziert. Meine körperliche Leistungsfähigkeit war zu diesem Zeitpunkt, salopp formuliert, im Keller. Ich konnte mit größter Mühe gerade noch zwei Stockwerke bewältigen und nicht mehr als vier Kilometer gehen. Damit war es für mich auch unmöglich geworden meinen Beruf als selbständiger Bautechniker auszuüben. Das alles hatte dann eine psychische Krise zur Folge. Ich musste mich mit all den Lebenseinschränkungen erst zurechtfinden. Heute bin ich damit im Reinen, aber es war eine harte Zeit.“
„Bei Menschen mit Diabetes ist auf die Herzgesundheit ein besonderes Augenmerk zu legen“, berichtet Univ. Prof.in Dr.in Alexandra Kautzky-Willer, von der Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, an der Med Uni Wien und Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft. „Die Betroffenen selbst haben oft mehr Angst vor anderen, möglichen Folgeerkrankungen des Diabetes, die augenscheinlicher sind, wie Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen. Deutlich häufiger folgen aber Erkrankungen des Herzkreislaufsystems auf einen nicht erkannten oder nicht optimal behandelten Diabetes. Obwohl neue Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der besseren Behandlung die Sterblichkeit an Herz-Kreislauferkrankungen bei Diabetes im letzten Jahrzehnt sogar stärker rückläufig war als bei Nicht-Diabetikern, versterben noch immer ungefähr die Hälfte der Menschen mit Diabetes an Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche, Rhythmusstörungen oder anderen Gefäßkomplikationen. Auffällig ist dabei auch, dass gerade Frauen und junge Menschen mit Diabetes weniger proftiert haben“
Die Präsidentin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), Prim.a Univ. Prof.in Dr.in Andrea Podczeck-Schweighofer von der 5. Med. Abteilung im Sozialmedizinischen Zentrum Süd – Kaiser Franz Joseph-Spital, ergänzt: „34.000 Österreicherinnen und Österreicher erleiden pro Jahr einen Herzinfarkt. Jeder vierte Patient mit einem Herzinfarkt hat Diabetes. Viele wissen es vorher noch gar nicht und erfahren das im Zuge der Behandlung in der Kardiologie. Bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit liegt die Wahrscheinlichkeit einer Diabeteserkrankung bei über 60 Prozent.“
Diabetes und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems gehen Hand in Hand
Der Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfasst viele verschiedene Erkrankungen, die das Herz und die Blutgefäße betreffen: Am bekanntesten ist der Herzinfarkt, aber auch die Herzschwäche oder die sogenannte koronare Herzkrankheit, bei der Blutgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, beeinträchtigt sind, zählen zu diesen. Weitere Gefäßkrankheiten sind der Schlaganfall im Gehirn und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) vor allem in den Beinen. Ein chronisch hoher Blutzucker begünstigt die Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), die Ursache all dieser Erkrankungen. Zum Beispiel ist bei Männern mit Diabetes das Herzinfarktrisiko um das Zwei- bis Dreifache höher als bei gesunden und bei Frauen mit Diabetes sogar bis um das Vierfache.
Zucker schadet – direkt und indirekt
Ein Zuviel an Zucker ist Gift für die Gefäße. Schädigungen der Gefäße werden beim gesunden Menschen durch Reparaturmechanismen im Lauf der Zeit ausgeglichen. Durch einen Überschuss an Zucker im Blut verringert sich diese Regenerationsfähigkeit der Gefäßwände um etwa 80 Prozent. Dadurch fördert Diabetes, bei dem der Zucker im Blut gar nicht oder nicht schnell genug abgebaut wird, direkt die Gefäßverkalkung. Zusätzlich haben Menschen mit Typ-2-Diabetes sehr häufig weitere Risikofaktoren für Gefäßverkalkungen. Dazu zählen vor allem schlechte Blutfettwerte und erhöhter Blutdruck, sowie eine Fettleber und vor allem Bauch-betontes Übergewicht. Auch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom, an dem viele Menschen mit Diabetes leiden, begünstigt einen Herzinfarkt. Typisch dafür sind lautes, unregelmäßiges Schnarchen, Atemaussetzer und starke Tagesmüdigkeit. Rauchen ist ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor für einen Herzinfarkt und gleichzeitig für Diabetes.
Wie der Herzinfarkt entsteht
Der Herzmuskel wird von den sogenannten Koronar-Arterien mit Blut versorgt. Sie umfassen den Herzmuskel wie ein Kranz. Wenn sich in einer der Koronar-Arterien ein Gefäßverschluss ereignet, wird dieser Teil des Herzens nicht mehr mit Blut versorgt. Wird diese Durchblutung nicht rasch wiederhergestellt, stirbt das betroffene Herzmuskelgewebe ab. Das bezeichnet man als Herzinfarkt. „Gerade bei Frauen mit Diabetes sind vor der Menopause auch Herzerkrankungen ohne nachweisbaren Gefäßverschluss häufig, aufgrund von Durchblutungsstörungen der kleinsten Gefäße und Gefäßverkrampfungen“ ergänzt Kautzky-Willer. „Insgesamt ist jedenfalls das relative Risiko nach einem Herzinfarkt zu versterben bei Frauen mit Diabetes höher als bei Männern mit Diabetes.“
Geringere Nervenleitfähigkeit bei Diabetes – Herzinfarkt wird nicht sofort erkannt
Bei Menschen mit Diabetes, die einen Herzinfarkt bekommen, fehlen oft infarkttypische Warnzeichen. Sie erkennen nicht, dass sie gerade einen Herzinfarkt erleiden. Ein chronisch hoher Blutzucker führt nämlich auch zu Störungen des Nervensystems. Symptome wie die heftigen Brustschmerzen, die entscheidend sind, um die lebensbedrohliche Situation eines Herzinfarkts richtig einzuschätzen, werden nicht wahrgenommen. So werden notfallmedizinische Maßnahmen oft verspätet eingesetzt.
Konsequente Diabetes-Behandung minimiert das Infarkt-Risiko
Das Risiko für einen Herzinfarkt bei Diabetes mellitus kann durch eine optimale medikamentöse Behandlung des Diabetes gesenkt werden. Wichtig ist, dass gleichzeitig auch alle anderen Risikofaktoren Beachtung finden. Dies erfordert eine Änderung des Lebensstils, also gesunde Ernährung, Rauchstop, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und tägliche Bewegung. „Die gute Nachricht: Eine aktuelle Untersuchung aus Schweden beweist, dass wenn bei Typ 2 Diabetes fünf wichtige Risikofaktoren (HbA1c als Maß für die Stoffwechseleinstellung, LDL Cholesterin, Eiweißausscheidung im Harn, Rauchen und Blutdruck) im Zielbereich liegen, dann verschwindet auch das erhöhte Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall und die erhöhte Sterblichkeit“ betont Kautzky-Willer.
Nach Entdecken der einen Erkrankung, müssen die Anzeichen für die andere beobachtet werden
„In der Kardiologie konnten wir große Fortschritte bei der Therapie von Herz-Kreislauferkrankungen erreichen. Beispiele dafür sind die Weiterentwicklungen bei Stents und Bypass. Aber auch die medikamentöse Therapie des Diabetes hat großen positiven Einfluss auf kardiologische Erkrankungen“, Podczeck-Schweighofer appeliert an die AllgemeinmedizinerInnen: „Die wichtigste Schnittstelle in der Früherkennung sind hier die Hausärztinnen und Hausärzte: Wenn diese Vorsorgeuntersuchung proaktiv anbieten, ist viel gewonnen, denn die Früherkennung von Diabetes hilft entscheidend bei der Erhaltung der Gefäße. Menschen mit Diabetes, aber ebenso Menschen mit einer Herzkrankheit, sollten die Risikofaktoren für die jeweils andere Erkrankung überprüfen lassen.“
Kautzky-Willer ergänzt: „Neue Lipidsenker, Blutverdünnungsmittel und Blutdruckmedikamente und aktuell auch innovative Diabetes-Medikamente, die zusätzlich zur Blutzuckersenkung auch das Herz-Kreislauf-Risiko vermindern, tragen zur besseren Lebensqualität und Abnahme der Sterblichkeit bei; neue internationale Consensus-Empfehlungen für die Behandlung des Typ 2 Diabetes stellen die Besonderheit in der Behandlung von Hoch-Risiko-Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ins Zentrum“. Sie betont abschließend: „Schon im Vorstadium des Diabetes Typ 2 mit Erhöhung des Nüchternblutzuckers oder überhöhtem Anstieg des Blutzuckers nach Nahrungsaufnahme kommt es bereits zu Schädigungen der Gefäße. Darum sollten alle Menschen und vor allem jene mit einem erkannten Diabetes an ihre Herzgesundheit denken !“
Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG)
Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten und Diabetes-Expertinnen. Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzte und Ärztinnen und wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker und Akademikerinnen. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater und Diabetesberaterinnen und Diätologen und Diätologinnen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt die Forschung und verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.
Informationen über die Aktivitäten der ÖDG finden Sie unter www.oedg.at
Rückfragehinweis:
Public Health PR
Mag. Michael Leitner, MAS
Tel.: 01/60 20 530/91
Mail: michael.leitner@publichealth.at
Web: www.publichealth.at
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